Mittwoch, 14. November 2012

Krafttiere - Unterstützung aus der Anderswelt


 Es gibt heute kaum jemanden, der nicht schon einmal von Schutzengeln gehört hat oder an eine Art „behütende Kraft“ glaubt. In vielen nicht-christlichen Kulturen ist die Vorstellung eines Engels jedoch nicht annähernd so populär wie die des Krafttieres, das einen Menschen begleitet. In früheren Zeiten war dies auch Teil unserer europäischen Kultur (bei den Germanen gab es beispielsweise die „Folgeseele“, die sogenannte fylgja) und in den Stammeskulturen entlegener Gebiete ist der Umgang mit Krafttieren bis heute etwas ganz alltägliches. Die Menschen glaubten nicht einfach an diese Geister in Tiergestalt, es gab für sie keinerlei Zweifel an deren Existenz, weil ihre Wahrnehmung so weit und offen war, dass sie über unsere Alltagswelt hinausreichte. In den meisten indigenen Kulturen ist das Krafttier integraler Bestandteil des spirituellen Lebens. Viele Menschen in diesen Kulturen gehen sogar davon aus, dass ein Kind das Kindesalter ohne ein Krafttier nicht überleben kann. Aus schamanischer Sicht ist ein Mensch mit einem geschlossenen Energiesystem gesund und erst wenn in diesem Energiesystem eine Lücke aufbricht, wird er als krank bezeichnet. Jeder Mensch wird ab dem Moment seiner Geburt durch ein Krafttier begleitet. Sollte ihm oder ihr jedoch etwas Traumatisches zustoßen, kann es passieren, dass die Bindung zum Krafttier geschädigt wird oder verloren geht und dadurch solch eine Lücke im Energiesystem entsteht. Erst diese Lücke lässt es zu, dass sich schädigende Einflüsse auswirken und jemand erkrankt. Nicht selten kommt es vor, dass Kinder mit diagnostizierten chronischen Krankheiten nach einer Rückverbindung mit ihrem Krafttier gesunden oder extrem ängstliche, verschüchterte Kinder zu einem fröhlichen Selbstbewusstsein heranreifen. Natürlich kann und darf niemand solche Wirkungen versprechen, jedoch gibt es genügend positive Erfahrungsberichte.
Heute finden die Menschen langsam wieder zu diesem Tiergeist zurück, sei es durch Basisseminare für Schamanisch Reisen oder andere schamanische Seminare und Sitzungen, durch Bestseller-Romane wie „Der Goldene Kompass“ und nicht zuletzt durch die äußerst beliebte Kinderzeichentrickserie um den Indianerjungen „Yakari“, in der die Verbindung zu dessen Totemtier, einem großen Adler, eine bemerkenswerte Rolle spielt. Dieses Krafttier oder Totem verleiht dem Jungen die Gabe, mit Tieren zu kommunizieren, was letztendlich alle seine Abenteuer entscheidend beeinflusst.


Was aber ist denn nun ein Krafttier?

Es handelt sich um einen Naturgeist in Tiergestalt, der eine beschützende und auch begleitende oder führende Rolle in unserem Leben übernimmt und dessen tierische Gestalt uns Rückschlüsse auf unser Leben geben kann. Dies ist nicht etwa wertend gemeint, in dem Sinne, dass große und beeindruckende Tiere kraftvoller als die eher kleinen und unscheinbaren sind – ganz im Gegenteil. Jedes Tier hält eine Kraft und Botschaft für uns bereit.
Es gibt Insekten, die das Hundertfache ihres Körpergewichtes tragen können und die dazu noch in hochentwickelten Gemeinschaftsgefügen leben. Das Fell eines Maulwurfs besteht aus fettigen Haaren, er ist klein und blind – er hat aber auch einen unglaublichen Sinn für Raum und Zeit, schont seine Kräfte in perfekter Work-Life-Balance, macht die Erde zu fruchtbarem Boden (Umgang mit Materiellem = steht für einen guten Geschäftssinn) und schenkt Mut und Tatkraft. Eine Gans ist oft unbeliebt, weil viele Menschen damit eine „dumme Gans“ assoziieren – doch sie steht für einen sehr ausgeprägten Gemeinschaftssinn, hilft „falsche Freunde“ oder seltsame Bindungen innerhalb der Familie und des Bekanntenkreises zu erkennen, leistet hingebungsvoll einen Beitrag zur Gemeinschaft und ist ganz und gar treu. „Falsche Schlangen“ bringen u.a. vitale Lebensenergie und Transformation, indem sie uns lehren unsere Haut/die Vergangenheit abzustreifen und neu zu beginnen. Manches ist also durch Aberglauben oder Volksmund negativ behaftet, anderes in unserem ureigenen Empfinden oder Weltbild. Dieses Weltbild lässt sich durch Offenheit, Annahme und authentische Suche erweitern. So sind zum Beispiel nicht nur der Adler, der Bär und der Wolf schamanischen Praktiken oder Schamanentätigkeit zugeordnet, sondern unter anderem auch das kleine neugierige Erdmännchen, welches ein hochentwickelter Netzwerker ist und zudem stark sein Bewusstsein verändern und uns dadurch luzides Träumen, schamanische Trance und das Geheimnis des „Sterbens ohne Tod“ lehren kann. Es wäre doch zu schade, wenn uns durch Voreingenommenheit diese wichtigen Kräfte nicht zuteil werden würden, oder?! Jedes Tier hat ganz spezielle Begabungen, Neigungen, Verhaltensweisen und auch Schattenseiten und leistet mit seinem puren Sein einen unschätzbaren Beitrag zum Gesamtgefüge NATUR. Stirbt ein Tier aus, so entsteht eine Disbalance im Ökosystem. Wie bei vielen anderen Gelegenheiten fällt manchmal erst dann auf, was nicht mehr da ist.
Wie kann ich erfahren, welches Krafttier mich begleitet?
Der unzweifelhaft berührendste Weg, ist die persönliche Krafttiersuche, die innerhalb eines Einzeltermines oder Seminares geschehen kann. Diese wird nach alter Tradition nicht angeleitet, sondern geschieht nach einer Einführung in Thema und Wirkungsweise mittels eines monotones Trommelrhythmus, der die Gehirnwellen dahingehend verändert, dass sie eine Bewusstseinserweiterung und die Erfahrung der Anderswelt oder sogenannten „Nicht Alltäglichen Wirklichkeit“ zulassen. Inzwischen werden auch vermehrt andere Möglichkeiten zur Krafttiersuche, wie etwa geführte Meditationen, angeboten, die sich vor allem für Kinder sehr gut eignen. Auf diese persönliche Suche kann sich jeder Mensch selbst begeben. Ich kann dazu die völlig freie Suche, die nicht angeleitet, sondern vom Rhythmus getragen wird, nur empfehlen. Der Klang der Trommel wirkt besonders in unsere Tiefen, wenn diese live geschlagen wird, im Handel sind jedoch auch gute CDs erhältlich, die man am besten über Kopfhörer nutzen kann. Gerade Menschen, die mit schweren Krankheiten im Krankenhaus liegen, können diese Art der Krafttiersuche gut für sich anwenden und durch die Begegnung mit ihrem Tier neuen Mut und natürlich auch Kraft schöpfen. Wer sich dazu entschließt, sein Tier zu suchen und dies nicht in der Gruppe tun möchte, kann sich dazu zuhause Zeit nehmen, die völlig ungestört ist und sich mittels CD oder live gespielter Trommel in den meditativen Zustand versetzen. Wichtig dazu ist eine klare Intention für die Schamanische Reise, die uns dann als Wegweiser dient und „Ich möchte mein Krafttier treffen!“ lauten könnte. Ist man in der glücklichen Lage, seinem Tier zu begegnen, sich anzunähern und mit ihm eine Verbindung aufzubauen, so sollte man das direkte und meist sehr berührende Erleben jedem Krafttier-Nachschlagewerk vorziehen, da letztendlich nichts wichtiger ist, als die individuelle Botschaft für den Einzelnen. Für klare Ergebnisse einer Reise empfehle ich meinen Seminarteilnehmern stets, folgende Fragen zu stellen:
 
Warum bist (meinetwegen auch "ausgerechnet") du mein Krafttier?
Was hast du mir zu sagen?
Was kann ich von dir lernen?
Was kann ich FÜR DICH tun?

Wann immer man sich auf einer schamanischen Reise befindet und sich dort ein Bild zeigt, das sich nicht gleich erschließt, sollte man nicht zögern direkt zu hinterfragen. Es ist wichtig, stets für das momentane Geschehen und die daraus entstehende Magie des Augenblicks offen zu bleiben – und auftauchende Fragen während der Reise zu stellen, statt hinterher mit rationalem Verstand und Ego das Erfahrene zu „zerdenken“. Wenn wir eine wahrhaftige Begegnung zulassen, das Tier mit offenen Armen und offenem Herzen empfangen und in einen direkten Dialog treten, so kann eine tiefe, bereichernde Bindung entstehen, die die Kräfte des Tieres ganz lebendig in uns einwebt. Diese erste Verbindung und die daraus entstehende lebendige Beziehung zu dem tierischen Verbündeten bildet die Basis zu vielfältiger weiterer Zusammenarbeit.
Es ist überaus wichtig, dass Tier, das wir vorfinden, nicht zu bewerten, sondern wahren Kontakt herzustellen und uns auf die Größere Weisheit außerhalb unserer Selbst einzulassen. Vielleicht trifft man völlig überraschend ein Tier, vor dem man sich im realen Leben ekelt, vor dem man Angst hat oder gar allergisch darauf wäre und es gibt auch keine Garantie dafür, sein Lieblingstier zu treffen, das man sich ersehnt. Hier gilt einfach: zulassen und wahrnehmen, was ist. Nur dann kann das Krafttier seine Kräfte in unserem Leben integrieren und damit wahrhaft lebendig zum Ausdruck bringen. Nur dann kann es uns mit allem, was es ist zur Seite stehen und zu unserer wahren Größe verhelfen – wie klein es sich auch immer zeigen mag.

Jennie Appel arbeitet seit 2006 in eigener Praxis mit schamanischen Techniken, Bewusstseinstraining und Coaching. Sie hat u.a. bei der Foundation for Shamanic Studies, Dr. Alberto Villoldo und Martin Brune gelernt und bietet Einzelsitzungen, Zeremonien und Seminare an (demnächst: „Schamanisch Reisen - Basiswissen“ und „Schamanisch Reisen – Seelengeleit“). Sie arbeitet in Bielefeld, in der Nähe von Frankfurt am Main und überregional im Rahmen von Fernsitzungen. Weitere Infos zu Veröffentlichungen und Seminarterminen: www.jennie-appel.de

Ihr  Buch-CD-Set „Ahnenreise“ (gemeinsam mit Dirk Grosser) ist im September 2012 erschienen. Mehr Infos und alle Seminartermine dazu unter www.ahnenreise.net

 

 *** Artikel erschienen im Magazin "SEIN" (Berlin) im 30.10.2012, Novemberausgabe***

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